Die
Treppe bei LCL … eigentlich ein ziemlich simpler
Gebäudebestandteil.
Sie
ist nichts Besonderes, optisch schon gar nicht.
Stufen,
die nach oben führen.
Oder
nach unten, je nachdem.
Ich
weiß nicht, wieso ich mir gerade jetzt Gedanken über sie mache.
Oder
… vielleicht doch.
Gleich
werden Martha und ich dieser Treppe den Rücken kehren, wohl für
immer.
Da
lohnt es doch, noch einen Blick auf diese schlichten Stufen zu
werfen, die unser beider Leben verändert haben.
Ist
es nun eine Ewigkeit her oder war es erst gestern, daß ich zum
ersten Mal hier herab kam?
Ich
war oben auf dem Klo gewesen und nun wieder auf dem Weg nach unten,
weil gleich die Show beginnen und man mich anschließend als den
neuen Designer vorstellen würde.
Und
ziemlich weit unten, da hockte sie.
Martha.
Opfer
eines dummen Mißgeschicks, das sie selbst als schrecklich demütigend
empfand.
Alle
drumherum starrten sie an und lachten, während Martha das alles
überhaupt nicht komisch fand.
Ich
hatte das Gefühl, als sei ich der einzige, der spürte, daß diese
junge Frau gerade sehr unglücklich war.
Zumindest
war ich der einzige, der etwas unternahm.
Ich
weiß jetzt, daß der Moment, in dem wir uns das erste Mal in die
Augen sahen, etwas ganz Besonderes war.
Auch
wenn das grauenhaft kitschig klingt.
Aber
so ist es.
Es
sollte einfach so sein.
War
ich anfangs nur der charmante Retter in der Not, in den Frau sich
schnell verliebt, sich aber auch bald wieder entliebt, wenn die
Realität die Romantik verdrängt, so hat Martha ernsthafte Gefühle
für mich entwickelt.
Und
das, obwohl ich nichts dafür getan habe.
Im
Gegenteil.
Ich
habe mich anfangs bestenfalls über sie amüsiert, sie sonst eher
ignoriert.
Bis
sie mich von ihrem Talent, ihrem guten Riecher überzeugte.
Jaaaa,
hätte ich damals gewußt, wohin das führt, hätte ich einen großen
Bogen um sie gemacht.
Wobei
… es wäre zwecklos gewesen.
Gegen
Martha bin ich machtlos.
Was
soll man denn bitte ausrichten gegen soviel bedingungslose Liebe?
Und
ich noch dazu total unerfahren, ungeübt in Gefühlsdingen.
Schamlos
ausgenutzt hat sie das.
Ich
hatte doch keine Chance.
Und
sie war erbarmungslos mit mir, hat einfach nicht lockergelassen.
Ich
hab mehrfach versucht, mich ihr zu entziehen.
Immer
vergeblich.
Und
als ich es endlich geschafft hatte … da war es zu spät.
Da
hat es mich ganz von selbst in ihre Nähe gezogen.
Da
habe ich gelitten, so wie sie zuvor.
Habe
erstmals nachempfinden können, wie es ihr all die Zeit ging.
Und
hab solche Sehnsucht nach ihr gespürt.
Und
als ich es nicht mehr ausgehalten habe, als sich die Gefühle, die
ich so lange verleugnet hatte, nicht mehr unterdrücken ließen, da
kam es endlich raus, das simple und doch so bedeutsame „Ich liebe
dich.“
Nie
hätte ich gedacht, daß mir solche Worte mal über die Lippen kommen
würden.
Doch
hatte ich zu lange gezögert, mich meinen Gefühlen zu stellen.
Martha
wollte mich nicht mehr.
Das
heißt, sie wollte schon, traute sich aber nicht, sich nach allem,
was geschehen war, noch auf mich einzulassen.
Und
dann kam wieder die Treppe ins Spiel.
Wieder
hockte sie hier, wieder war sie nicht glücklich.
Aber
ich war es, war mir doch klargeworden, daß wir beide
zusammengehören.
Ich
sah es als Schicksal an, daß sie wieder hier so saß.
Als
ich unsere erste Begegnung nachstellte, schimpfte sie, ich solle das
lassen, denn genau so hätte das alles angefangen.
Genau.
So
hat es angefangen.
Und
das ist gut so.
So
wie man auf der Treppe Stufe für Stufe betritt, ist Martha mir Stufe
für Stufe nähergekommen.
Und
ich ihr.
Sie
ist zur mir heraufgestiegen und ich habe mich Stufe für Stufe auf
sie eingelassen.
Nun
stehen wir beide in der Mitte, sind uns ganz nah.
Eigentlich
hat diese Treppe die ganze Entwicklung unserer Beziehung mitverfolgt
– von der ersten Begegnung bis zu unserem Zusammenkommen.
Hat
tatsächlich Höhen und Tiefen miterlebt.
Meistens
war ich es, der eine Stufe zurückgewichen ist.
Um
mich dann wieder herabzuwagen.
Sicher
wird auch unsere Beziehung Höhen und Tiefen haben.
Aber
Martha wird immer auf der nächsten Stufe auf mich warten.
Ich
werfe der Treppe einen letzten kurzen Blick zu. Wenn sie könnte,
würde sie vielleicht lächeln.